Von Vera Schwarz
Es ist schon Ewigkeiten her seit ich das letzte Mal im Spreewald gewesen war. Die entsprechenden Kindheitserinnerungen sind v?llig andere verglichen mit den heutigen Bildern. Damals gab es in Lehde, diesem Dorf an den Ufern verschiedener Spreearme, weniger Kneipen und auch die K?hne sahen anders aus.
Per Kahn den Spreewald erkunden
Für diese aktuelle Reise in den Spreewald hab ich mich einer gut gelaunten Stammtischgruppe bestehend aus mehr oder weniger sehbehinderten Menschen angeschlossen. Treffpunkt ist Berlin Alexanderplatz. Von dort aus geht es mit dem Zug zun?chst nach Lübbenau und anschlie?end 15 Minuten zu Fu? weiter bis zur ersten Kneipe namens ?Hanschick“. Diese ist ein Anlaufpunkt für Reisende, die gerne per Kahn, dem typischen Verkehrsmittel des Spreewaldes, diese verwunschene Landschaft erkunden wollen. Auch der Kahnf?hrmann Sebastian wartet dort bereits. Mit seiner wei?en Skippermütze sieht er aus wie ein echter Kapit?n, ist im Hauptberuf aber Elektromeister mit eigenem Betrieb.
Spreewaldproviant und ein Rudel für den Kahn
Bevor es mit dem Kahn weiter geht, gibt es für jeden erst mal ein P?ckchen Proviant bestehend aus Schmalzstullen und kleinen Spreewaldgürkchen.
Dann sind es nur noch ein paar Schritte durch den Wald und schon schwankt hinter einem schmalen Deich auf den Wellen eines Spreearms der Kahn. Dort hinein platziert Sebastian zun?chst die Teilnehmer, ehe er selber an Bord springt. Nebenbei erkl?rt er noch sein Rudel, womit übrigens keine Horde gemeint ist, sondern eine vier Meter lange, am Ende breit und flach auslaufende Stange.
Mit diesem Rudel bewegt und steuert er den Kahn über weit verzweigte Spreearme, die zwischen ein und drei Meter tief sein k?nnen, durch das Dorf Lehde. In diesem Dorf sind viele H?user nur über Wasserwege oder kleine Fu?g?ngerbrücken erreichbar. Zur Schule müssen die Kinder auch mit dem Boot gebracht werden oder sie rudern gar allein dort hin. Die Versorgung der Bewohner von Lehde erfolgt ebenfalls mit Wasserfahrzeugen, wie Sebastian erkl?rt. Er selbst transportiert mit seinem Kahn nicht nur Reisegruppen durch den Spreewald, sondern auch Kühlschr?nke und Waschmaschinen zu seinen Kunden. Sollte mal eine Reparatur anstehen, muss er meistens auch mit dem Boot anreisen. Motorboote stehen dafür übrigens nicht zur Verfügung, die dürfen nur von Notdiensten benutzt werden.
Signale der Natur
Insbesondere bei sch?nem Wetter ist der Spreewald offenbar ein beliebtes Ausflugsziel. Auch heute sind hier mit Kajaks, Kanus und Ruderbooten zahlreiche Reisende unterwegs, von denen sich Einige allerdings nicht an die Verkehrsregeln halten, wie Sebastian resigniert feststellt. ?berall anzutreffen sind natürlich diese typischen Spreewaldk?hne, die bis zu drei?ig Personen transportieren k?nnen. Dann w?re es an Bord jedoch sehr eng, erkl?rt Sebastian. Daher würde er immer nur 19 Teilnehmer mitnehmen.
Eine gute Idee, wie sich zeigt, denn auf Sebastians Kahn ist genug Platz um bequem am Tisch sitzend auch mal ein wenig Saft oder ein Bier aus den Best?nden des F?hrmanns zu trinken. Der kennt zum Glück auch einsame Wege, wo er die gespr?chige Gruppe zum Schweigen auffordert um den Signalen der Natur zu lauschen. Bisweilen werden die Wasserwege so schmal, dass man bequem ins Schilf greifen k?nnte, wovon der umsichtige F?hrmann jedoch ausdrücklich abr?t, weil die langen schlanken Bl?tter messerscharf sind. Vor den Schlangen, die hier manchmal zu sehen sind, braucht man aber keine Angst zu haben, denn es handelt sich dabei um ungiftige Ringelnattern.
Garagen mitten im Wasser
Wie ich eingangs erw?hnte, gab es in Lehde zu DDR Zeiten nur drei Kneipen. Heute hingegen sind am Rande der verschlungenen Wasserwege immer wieder Gasth?user anzutreffen. Zehn seien es bis vor kurzem gewesen, erkl?rt Sebastian, eins w?re jedoch inzwischen abgebrannt. Aber nicht das Restaurant Oppott an der Quodda. Am dortigen Anleger macht Sebastian zur Mittagspause den Kahn fest.Serviert wird deftiges aus der Spreewaldküche…
Anschlie?end geht es noch etwa zwei Stunden durch die zahlreichen Arme der Spree, wobei der Hauptarm von den anderen nicht zu unterscheiden ist. ?berall an den Ufern stehen Geb?ude, die wie Garagen aussehen, jedoch mit Wasser gefüllt sind. Darin parken die hier lebenden Leute, von denen viele wie Sebastian zumindest nebenbei vom Tourismus leben, natürlich keine Autos, sondern ihre Boote. Da gibt es beim Aussteigen bestimmt auch manchmal nasse Fü?e…
Regeln wie am Taxenstand
Diese Spreewaldtouren sind übrigens nicht nur für Reisegruppen, sondern auch für Einzelpersonen m?glich. Die Kahnf?hrleute warten dann an speziellen Haltepunkten wie dem Restaurant Hanschick, bis genügend Teilnehmer zusammen gekommen sind. Da gibt es klare Regeln wie am Taxenstand – also immer der Reihe nach. Jedoch haben einige der F?hrleute – meist ?ltere – einen gewissen Vorrang, weil sie hauptberuflich mit dem Kahn unterwegs sind und allein davon leben müssen.
Keine Hürde
Auch für blinde und sehbehinderte Reisegruppen sind diese Touren keine Hürde, sondern durchaus empfehlenswert. Bei der beschrieben Tour, die von der Pro Retina Gruppe Berlin-Brandenburg ausgeheckt wurde, ist auch niemand ins Wasser gefallen und Sebastian war immer zur Stelle um beim Einsteigen behilflich zu sein. Wer es probieren m?chte, kann ihn unter 0172 6692770 erreichen.
Fotos: 1. Vera Schwarz, alle anderen peter bachstein
Danke, fürs Mitnehmen auf diesen interessanten Ausflug.
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Wundersch?n da, Ruhe satt.
Abseits von wirren Treiben.
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stimmt. entspannung braucht jeder
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Absolut ja. Und da wirklich zu finden. ?
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